Mehr als nur eine Sprache lernen
Renata Dias Mundt ist eine jener Dozent*innen, die sich dieser Sisyphusaufgabe mutig und voller Leidenschaft angenommen haben. Bereits seit 1993 arbeitet sie als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache (DaF). Zunächst unterrichtete sie Kinder von 4 bis 17 Jahren in der deutschen Schule in Sao Paulo (Brasilien), ab 1997 auch Erwachsene. Auch für das Goethe-Institut in Sao Paulo war sie tätig. Seit 2014 unterrichtet sie beim Bildungsverein Hannover Geflüchtete in der deutschen Sprache. Der Weg dahin eigentlich ein Zufall. Renatas Herz schlug für die Germanistik und die Literatur. Kurz vor Ende ihres Studiums bekam sie auf Grund der Empfehlung einer Professorin ein Stipendium für ein Deutsch-Brasilianisches Pädagogikinstitut, das sehr exklusiv DaF-Lehrkräfte ausbildete. Und auch, wenn sie ebenfalls als Übersetzerin arbeitet, liegt ihr die Arbeit als DaF-Lehrerin besonders am Herzen. „Weil wir nicht nur Deutsch im Unterricht machen, wir reden viel über uns, wir spielen, lachen, weinen, erzählen über unsere Kulturen, Ängste und Freuden“, erzählt sie uns. Dabei ist die Arbeit durchaus mit allerhand Schwierigkeiten verbunden. Gerade mit Anfänger*innen wird häufig mit Händen und Füßen kommuniziert. Manche Teilnehmenden können nur wenig oder sogar gar nicht lesen und schreiben. Einige haben keinerlei Schulerfahrung und müssen sich erst im neuen Umfeld orientieren. Da muss Renata natürlich auch motivieren. „Obwohl das Deutschlernen für sie viel schwieriger ist, als für jemanden, der studiert hat, schaffen sie das auch und geben nicht auf. Das ist bewundernswert“, sagt Renata. Auch die kulturellen Unterschiede stehen ab und zu zur Debatte, aber auch hier setzt die ausgebildete Lehrerin auf Kommunikation und gegenseitiges Verständnis.
Der Lockdown war für sie auch nicht einfach, auch wenn sie glücklicherweise beruflich keinen anderen Weg einschlagen musste. Für viele ihrer Kolleg*innen war es aber das Ende von der Selbstständigkeit in diesem Bereich. „Was die Lernenden betrifft, war es auch nicht einfacher. Die meisten von denen brauchen die Sprache, um zu arbeiten, studieren oder lernen zu können“, erzählt uns Renata. Da viele nur innerhalb des Unterrichts die Sprache anwenden, verschlechterten sich während des Lockdowns wieder ihre Fähigkeiten. Die Folge war, dass einige die Kurse sogar wiederholen mussten. Für Renata war sofort klar, dass sie sich auch auf jeden Fall an den Online-Unterricht heranwagen würde, allerdings gab es zahlreiche Geflüchtete, die bezüglich des Internets eine deutliche Hemmschwelle und wenig Kenntnisse hatten. „Dann musste ich per Handy und am Telefon vielen dabei helfen, einen E-Mail-Account zu konfigurieren, und noch erklären, wie E-Mails überhaupt funktionieren“, erzählt sie uns weiter. Eine Herausforderung für beide Seiten. An den Unterricht vor Ort kam der digitale Weg natürlich nicht heran. Das lange Sitzen vor dem Tablet oder Smartphone, oftmals auch an öffentlichen WLAN-Hotspots war für die Lernenden ermüdend. Mit viel Einsatz konnte Renata ihren Kurs allerdings „retten“, wie sie sagt. All ihre Teilnehmenden konnten Ende des Jahres die Prüfung ablegen. Mittlerweile laufen die Online-Kurse deutlich runder, aber trotzdem hat der Bildungsverein zunächst die DaF-Kurse wieder in Präsenz laufen lassen, um die ohnehin am Rand stehenden Menschen nicht noch mehr abzuhängen.
Hier wird nicht aufgegeben!
Aber woher nimmt man für diese Mammutaufgabe die Motivation? „Ich fühle mich immer erfüllt, wenn eine Person nach einem Kurs etwas erreicht und das mit mir teilt“, erzählt Renata. Eine ganz bestimmte Geschichte ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben. „Ich hatte damals noch im Flüchtlingsheim unterrichtet“, so Renata. Dort traf sie auf einen jungen Mann, der zwar äußerst intelligent war, aber gleichzeitig nicht aus seinem Zimmer kommen wollte. Mit viel Mühe habe sie ihn zum Deutschkurs überreden können, musste ihn jedoch jedes einzige Mal wirklich von seinem Zimmer für den Unterricht abholen. „Irgendwann hat er zum ersten Mal im Unterricht gelacht und da wusste ich, ich musste ihn nicht mehr abholen. Jahre später, als er den Kurs fertig hatte, hat er sich bei mir bedankt, dass ich ihn nicht aufgegeben habe“. Zu dem jungen Mann, aber auch zu vielen anderen ihrer ehemaligen Schüler*innen hat sie noch heute Kontakt.
Die Pandemie zeigt eigentlich deutlich, wo die Schwachstellen innerhalb unserer Gesellschaft sind. Es wäre also durchaus Zeit, sich eben diesen zu widmen. Zum Beispiel könnten Bund, Land und Kommunen ausreichend finanzielle Förderung zur Verfügung stellen, damit die DaF-Dozent*innen endlich auskömmlich vergütet werden könnten. „Alle reden so viel von Integration, Sprachenlernen usw., aber die Dozent*innen, die das durchführen, haben gar keine Sicherheit im Leben“, sagt Renata. Außerdem wünscht sie sich eine Politik, die näher an der Lebenswirklichkeit der betreffenden Menschen gebaut ist. Dazu gehört ihrer Meinung auch, dass die DaF-Lehrer*innen in Entscheidungen mit einbezogen werden, die ihre Kurse betreffen. „DaF-Lehrer*innen sind unglaublich bemüht, suchen immer neue Materialien, Ideen und Lösungen für ihre Teilnehmenden, werden aber oft von Regeln gebremst oder gar behindert“, führt Renata fort.
Mittlerweile kann der Bildungsverein unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen wieder Präsenzunterricht anbieten. Ein gut funktionierendes Online-Angebot ist als Alternative allerdings weiterhin vorhanden. Das ist nicht nur für den Verein selbst wichtig, sondern auch für alle Lernenden und Lehrenden. Auf politischer Ebene hat sich leider noch gar nichts getan, aber die Hoffnung wird weder von Bego noch von Renata aufgegeben. Wer es sich zum Vorsatz gemacht hat, in 2022 vielleicht etwas Neues zu lernen, sollte dringend einen Blick ins Programm des Bildungsvereins werfen. Sei es eine neue Sprache, Entspannungstechniken, ein Einblick in die Philosophie oder aber ein Foto-Workshop – der Bildungsverein hat einiges im Angebot und selbst Bildungsurlaube sind möglich. So tut ihr nicht nur euch selbst, sondern gleichzeitig auch dem gesamten Verein etwas Gutes. So viel Einsatz darf einfach nicht ungesehen bleiben.
Hier gelangt ihr zur Website des Bildungsvereins: www.Bildungsverein.de
Hier findet ihr den Instagram-Account: bildungsverein@instagram
Und auf Facebook grüßt euch ebenfalls die Bildungseule: bildungsverein@facebook
Gezwitschert wird ebenfalls: bildungsverein@twitter
(Foto: stadt.land.stories (Header; 1), Renata Dias Mundt privat (2))
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