Nur noch viermal schlafen und schon ist Weihnachten. Schön, oder etwa nicht? Zugegeben, dem totalen Konsumrausch haben wir hier schon seit Jahren abgeschworen. Es gibt aber so gewisse Dinge, die schenken wir einfach gerne untereinander und auch uns selbst. Zum Beispiel der Klassiker schlechthin: Socken. Socken gehen immer. Das liegt auch eventuell daran, dass Socken auf mysteriöse Weise schnell verschwinden können oder auch gerne mal schnell durchgetragen sind. Socken zeigen als Geschenk auch irgendwie: Hier, hab warme Füße, du bist mir wichtig. Ein anderer Klassiker ist das gute alte Buch. Ein Buch geht einfach immer. Ich persönlich bezweifle auch stark, dass es Menschen gibt, die tatsächlich ungern lesen. Meiner Meinung nach haben sie nur noch nicht das richtige Buch gefunden. Das richtige Buch im richtigen Moment kann jeden Menschen zum Bücherwurm machen. Kommt man einmal so richtig in den Genuss, von einer literarischen Woge ergriffen zu werden, stellt sich schnell eine dauerhafte Sehnsucht ein. Verschenkt man ein Buch, verschenkt man stets eine ganze Welt. Eine Auszeit, eine Horizonterweiterung, eine Reise. Ein Buch ist so viel mehr als nur Schrift auf Papier. Und deswegen sind und bleiben Bücher – neben Socken – einfach die besten Geschenke. Ganz gleich ob zum Geburtstag, zu Weihnachten oder einfach so. Wenn ihr euch nun sagt „Hey! Super Idee! Aber wo bekomme ich so kurz vor Weihnachten noch eines von diesen Büchern?“, dann haben wir hier für euch den Masterplan. Antje und Stefan von der Lindener Buchhandlung haben uns ein paar Highlights verraten, die für sie garantiert einen Platz unterm Bäumchen haben sollten. Los geht’s!
Zwischen Selbstjustiz, Aufwachsen in der Provinz und dem Deutschen Buchpreis
Die erste Empfehlung ist Von hier bis zum Anfang von Chris Whitaker und gilt ein wenig als überraschendes Universaltalent. Von hier bis zum Anfang glänzt nämlich auf 448 Seiten dadurch, dass es in keine Schublade so recht passen möchte. Eine Prise Coming of Age, viel Krimi, Gerichtsdrama, Lebensweisheiten, Nervenkitzel – der britische Autor hat seiner literarischen Suppe einige explosive Zutaten beigemischt. Herausgekommen ist ein Bestseller, der Evergreen-Potential hat. Kein Wunder, spielt er doch mit einigen klassischen Motiven aus der Krimilandschaft und lässt seine Geschichten wirksam in Kalifornien spielen. Im Zentrum steht die 13-jährige Duchess, die wahrlich nicht auf den Mund gefallen ist. Ihr Vater glänzt durch Abwesenheit, ihre Mutter Star hat bereits vor etlichen Jahren ihre Schwester verloren und tappst ansonsten gerne durch Bars, wo sie wiederum in Endlosschleife an den falschen Männern hängenbleibt. Als Star genau wie ihre Schwester ermordet wird, ist den meisten klar, dass das nur Vincent gewesen sein kann, der Mörder von Stars Schwester. Dieser kam nämlich erst kürzlich aus dem Gefängnis frei. Während Duchess in bester Westernmanier auf Rache sinnt, ist Sheriff Walker nicht von Vincents Schuld überzeugt. Was aber nach Schema F klingen mag, ist trotz gewaltiger Kulisse eine Hommage an tiefgängige Krimis mit rauer Note, die tief in die Seele schneiden. Mit Von hier bis zum Anfang von Chris Whitaker könnt ihr wenig falsch machen.
Ich will zurück nach Westerwald….nein, Moment, das ist eigentlich falsch, aber wenn man Mariana Lekys Roman Was man von hieraus sehen kann beendet hat, möchte man tatsächlich lieber in den Westerwald und nicht nach Westerland. Hier lebt nämlich Selma, die ein bisschen in die Zukunft sehen kann. Besser gesagt: träumen kann. Denn immer, wenn Selma von einem Okapi träumt, stirbt kurz darauf jemand im Dorf. Okapis sind übrigens ziemlich niedlich aussehende Waldgiraffen, die ganz zurückgezogen und stark bedroht im Regenwald leben. In Zusammenhang mit Selmas Träumen verlieren sie aber durchaus ihren Reiz. Vor allem dann, als es eben nicht ein älteres Mitglied der Dorfgemeinschaft trifft, sondern den zehnjährigen Martin, der gleichzeitig ein Freund von Selmas Enkelin Louise ist. Was nun durchaus tragisch klingt und auch ist, bettet Leky allerdings in diese warmherzige, schrullige und einfach liebenswerte Dorfgemeinschaft, die einen stabilen Kern besitzt. Seit 2019 begeistert Mariana Lekys Roman übrigens schon den deutschen Buchhandelsmarkt und verkauft sich auf Grund seiner nicht enden wollenden Beliebtheit so gut wie Schmalzkuchen zur Weihnachtszeit. Ein Roman, der euch für 320 Seiten ganz eng mit eurem Lesesessel verschmelzen lässt. Den kann man sich auch gerne selbst schenken.
Eigentlich ist es unfair im Zwischentitel in Bezug auf Antje Rávik Strubels Roman Blaue Frau nur auf den Gewinn des Deutschen Buchpreises hinzuweisen, denn dieser Roman ist nicht bloß ein Buchpreisgewinner. Viel mehr ist Blaue Frau ein langsam aufziehender Sturm, der sich die aktuellen Debatten um sexuelle Belästigung, Vergewaltigung und patriarchale Machtstrukturen zur Brust nimmt. Es ist die Narration eines Traumas. Adina ist eine junge Frau, die wir im finnischen Helsinki vorfinden. Und so wenig ich mich persönlich in Helsinki orientieren könnte, so orientierungslos und haltlos findet sich auch Adina vor. Mit einer präzisen Sprache, aber ganz langsam führt uns Strubel hinein in die Gedanken- und Gefühlswelt von Adina, die auf Grund sexueller Übergriffe unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Nein, das ist keine Gute-Nacht-Geschichte, das ist schwere Kost. Und für sehr viele Lesende teilweise zu unaufgeregt, zu langsam. Dabei ist es gerade dieses unheilvolle und immer näherkommende Donnergrollen, das einen das Buch nicht loslassen lässt. Ein Roman für jene, die mit schwerer und etwas sperriger Kost problemlos umgehen können und sich vom Gendern im Lesefluss längst nicht mehr unterbrechen lassen.
Der Boss, verlorene Träume und das Leben nach der Schule
Man mag vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama politisch halten, was man will, aber er hat nun mal einen gewissen Groove ins Weiße Haus und damit auch in die Politik gebracht. Über Bruce Springsteen haben sich die Geister allerdings bisher selten geschieden. Kein Wunder, es geht hier schließlich um „The Boss“. Da wird nicht diskutiert. Das hat mir schon mein Papa beigebracht. Bruce Springsteen wird angehört und für gut befunden. Das Gleiche gilt übrigens auch für Queen. Nur mal so am Rande vermerkt. Aber was haben Barack Obama und Bruce Springsteen eigentlich gemeinsam? Nun, mit Renegades: Born in the USA zumindest eine Buchveröffentlichung. Scherz beiseite, es ist kein Geheimnis, dass Obama und der Boss mittlerweile enge Freunde sind und ihre Freundschaft auf unterschiedliche Weise zelebrieren. Sind sie doch eben beide born in the USA und wollen für ihr Land nur das Beste. In diesem Buch sprechen die beiden so offen wie nie über alles mögliche miteinander. Über Politik, über das, was das Land noch zusammenhält, über Musik, über die Menschen, über ihre Träume und über das, was an Weg schon hinter ihnen liegt. Nicht ganz ohne ab und an ein kleines Augenzwinkern einzufügen. Sozusagen eine Buddy-Komödie mit Tiefgang in Buchform.
Während Billie Eilish 2019 fragte „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“, fragt Bas Kast mit seinem Bilderbuch für Erwachsene Wenn Du einen Traum hast danach, warum wir eigentlich mit dem Träumen aufhören. Denn eigentlich starten wir doch ins Leben mit einem großen Sack voller Träume, Wünsche und Vorstellungen. Das sieht man auch schon daran, dass Wunschzettel von Kindern meist deutlich länger sind als die von Erwachsenen. Sie trauen sich noch zu träumen und sich Dinge zu wünschen. Je jünger sie sind, desto wundersamer sind ihre Wünsche. Manch ein Kind sehnt sich beispielsweise nach einem Einhorn oder möchte ein Ballon sein. Aber warum haben wir diese Gabe eigentlich meistens verloren? Liegt es daran, weil wir gelernt haben, „realistisch“ zu denken? Weil wir es uns einfach nicht trauen? Haben wir Angst? Aber was könnte eigentlich passieren, wenn wir wieder richtig beginnen zu träumen und den ein oder anderen Traum sogar umsetzen wollen? Ein Denkanstoß in Buchform fabelhaft illustriert von Sofiya Usach für jene, die im Leben etwas ins Stocken geraten sind.
Träumen ist zwar schön, aber trotzdem muss man als halbwegs erwachsener Mensch trotzdem noch allerhand Krimskrams nebenbei erledigen. Steuererklärungen zum Beispiel. Oder mal den Gaslieferanten wechseln. Ab und an wäre es auch super, wenn das mit den ganzen Versicherungen besser erklärt wäre. Und sowieso fühlen sich einige heillos überfordert, wenn die deutschen Bildungseinrichtungen dich nach neun, zehn oder dreizehn Jahren endlich ausgespuckt haben. Mit einem fundamentalen Wissen über Dreisatz, aber ohne Ahnung von Steuerklassen. Macht aber nichts, denn für so etwas gibt es Expert*innen. Und im besten Falle auch noch ein praktisches Buch zum Thema. Wie zum Beispiel Und jetzt? Der Survival-Guide fürs Leben nach der Schule: Alles, was du wissen musst – von Auslandsjahr bis Zusatzversicherung von Johanna Jadwiczek. Hier ist alles versammelt, was junge Menschen kurz nach ihrem Abschluss so wissen sollten. Echte Life Hacks für all jene, die nun aufbrechen, um endgültig die Welt zu erobern. So kann zumindest niemand mehr sagen, dass sie oder er von Nichts gewusst hätte.
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