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Paris für Bibliophile

Oder auch: Was hat Shakespeare in Paris zu suchen?

Denkt man an Paris, dann schießen einem sofort natürlich die großen Museen durch den Kopf. Beispielsweise der sagenumwobene Louvre, das Centre George Pompidou oder aber das Musée d’Orsay. Vor allem Letzteres ist einer unserer liebsten Museen und das aus drei guten Gründen. Erstens handelt es sich um einen umfunktionierten ehemaligen Bahnhof und das bringt durchaus seinen Charme mit sich. Zweitens hängt dort das monumentale Gemälde L’Origine du Monde (dt. Der Ursprung der Welt) von Gustav Courbet aus dem Jahr 1866 und das alleine ist schon ein Besuch wert. Und drittens wegen der fantastischen Folge Vincent und der Doctor der britischen Serie Doctor Who, die dort zumindest in Teilen gedreht wurde. So sehr wir aber Kunst lieben, unsere erste große Liebe ist und bleibt die Literatur. Und deswegen nehmen wir euch mit auf einen kleinen Streifzug durch das literarische Paris. Das bedeutet, dass wir uns einerseits ein paar interessante und bedeutsame Buchhandlungen ansehen werden, andererseits aber auch ein paar Literaturtipps raushauen werden, die euch Paris direkt nach Hause bringen. Eh bien, allons-y!

Viele von euch kennen sie und jede*r, die/der sie kennt, liebt sie: Die Buchhandlung Shakespeare & Company schräg gegenüber von der Cathédrale Notre-Dame, nahe des Point Zero. Zumindest die Zweite. Ja, richtig gehört, die Buchhandlung, die in der Rue de la Bûcherie tagtäglich hunderte von Besucher*innen aus aller Welt anzieht, ist sozusagen die sehr gelungene Neuauflage. Aber fangen wir von vorne an, diese Geschichte ist einfach wundervoll. 1887 wurde im amerikanischen Baltimore ein Mädchen namens Sylvia Beach geboren. Nicht ahnend, dass sie im 20. Jahrhundert eine tragende Rolle in der Literaturgeschichte spielen wird. 1901 kam ihre Familie ins wunderschöne Paris und lebte fortan dort. Nachdem Beach während des Ersten Weltkriegs für eine Zeit als Krankenschwester tätig war, kehrte sie zurück in die französische Hauptstadt und eröffnete im November 1919, also vor 102 Jahren, zunächst in der Rue Dupuytren, später dann in der Rue de l’Odéon, die englische Leihbücherei Shakespeare & Company. Paris war zur damaligen Zeit vor allem ein Treffpunkt der sogenannten Lost Generation, also all jener, die während des Ersten Weltkriegs aufgewachsen waren oder junge Erwachsene waren. Dazu gehörten vor allem viele amerikanische Schriftsteller wie beispielsweise Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald.

So erfolgreich wie das Original

Schnell wurde die kleine Leihbücherei von Sylvia Beach zu einem Treffpunkt für englischsprachige Schriftsteller*innen, darunter die bereits genannten Herren Hemingway und Fitzgerald. Aber auch die Mäzenin Gertrude Stein ging bei Beach gerne ein und aus. Aber dabei alleine blieb es nicht. Nur Beachs Mut und Einsatz war es zu verdanken, dass sich noch heute Literaturbegeisterte auf der ganzen Welt mühevoll durch durch das monumentale Werk Ulysses des irischen Schriftstellers James Joyce quälen. Während des Zweiten Weltkriegs musste Shakespeare & Company vorübergehend schließen, wurde aber 1944 zumindest symbolisch von Ernest Hemingway befreit, der sich dafür sogar in seine einstige Uniform aus dem Ersten Weltkrieg geworfen hatte. Eine Wiedereröffnung wollte Beach aber dennoch nicht feiern, die Buchhandlung blieb dauerhaft geschlossen. 1951 kam allerdings der Amerikaner George Whitman auf die wunderbare Idee, in der Rue de la Bûcherie eine englischsprachige Buchhandlung namens Le Mistral zu eröffnen. Und einer seiner Kundinnen war tatsächlich Sylvia Beach, die ihm wiederum von ihrer einstigen Perle berichtete, die sich nur einige Straßen weiter befunden hatte. Fasziniert von Beach und ihren Geschichten entwickelte sich zwischen den beiden eine wunderbare Freundschaft. Jene Freundschaft war sogar so eng, dass Whitman seinen einstigen Mistral zu Ehren von Beach nach ihrem Tode in Shakespeare & Company umbenannte.

Und mehr noch. Sogar seiner Tochter, die seit seinem Tod 2011 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten David Delannet die Buchhandlung leitet, hat er Beach zu Ehren den Namen Sylvia Beach Whitman gegeben. Noch heute ist Shakespeare & Company ein Treffpunkt für Literaturbegeisterte und Schriftsteller*innen aus aller Welt. Hier finden regelmäßig Lesungen mit namenhaften Autor*innen oder Newcomern statt, die für alle Teilnehmenden kostenlos sind. Über der Buchhandlung wohnen ambitionierte Poet*innen, die dort gegen Geschriebenes wohnen dürfen und die Buchhandlung mit in Schuss halten. Ja, bei Shakespeare & Company ist es immer herrlich trubelig. Mittlerweile ist der Buchhandlung sogar ein gleichnamiges Café angeschlossen, das zum kurzen Verweilen einlädt. Shakespeare & Company ist zwar die bekannteste, aber bei weitem nicht die einzige englischsprachige Buchhandlung in Paris. Die älteste englischsprachige Buchhandlung ist – zumindest behauptet sie das von sich selbst – die Librairie Galignani in der Rue Rivoli. Die Rue Rivoli selbst gehört schon zu den ältesten Ladenstraßen von Paris und schlängelt sich unter anderem am Jardin des Tuileries entlang.

Ein Hotspot für Kunstbegeisterte

Eröffnet wurde Galignani bereits 1801, also lange bevor Beach überhaupt geboren wurde. Damals allerdings noch in der Rue Vivienne. Die Räumlichkeiten in der Rue Rivoli wurden erst 1856 bezogen. Schon zu Beginn war man auch hier sehr ambitioniert, hatte sich die Familie Galignani doch bereits seit dem 16. Jahrhundert dem Herausgeben von Schriften gewidmet. Daher brachte man als Ergänzung zur Buchhandlung auch den Galignani’s Messenger heraus, eine Tageszeitung, die nicht nur einen ausführlichen Literaturteil besaß, sondern sich ausschließlich der englischsprachigen Gesellschaft widmete. Die Tageszeitung ist mittlerweile eingestellt und in der Librairie Galignani lässt sich mittlerweile auch mehr als „nur“ englischsprachige Literatur finden, dafür aber ist sie immer noch im direkten Familienbesitz. Zudem lädt auch die Librairie Galignani gerne namenhafte Autor*innen ein und kann vor allem mit einer wunderbaren Auswahl an Büchern im Bereich Kunstwissenschaft/Bildende Kunst/Kunstgeschichte auftrumpfen. Und genau wie Shakespeare & Company ist auch diese Buchhandlung optisch ein echter Hingucker, wenn auch weniger verwinkelt. Das hier ist aber natürlich nur ein sehr kleiner Ausschnitt hinsichtlich der englischsprachigen Buchhandelslandschaft in Paris. Bereits ein paar Meter weiter auf der Rue Rivoli stolpert man beispielsweise über Smith & Son, einer fantastischen Buchhandlung, die wie ein britisches Kleinod wirkt. Hier ist übrigens auch ein englischer Tea Room zu finden. Oder aber The Red Wheelbarrow in der Rue de Médicis, ganz offensichtlich benannt nach dem gleichnamigen Gedicht des amerikanischen Dichters William Carlos Williams. Ihr müsst also nicht zwangsweise Französisch beherrschen, um als Literaturfans in Paris auf eure Kosten zu kommen. Englisch reicht völlig aus. Auf der nächsten Seite hagelt es aber ordentlich Literaturtipps in deutscher Übersetzung.

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Veröffentlicht in Stories

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