Zugegeben, wir haben im Juli mit der Sommerpause ein wenig geflunkert. Statt einen Monat faul auf der Haut zu liegen und die Sommersause zu genießen, haben wir uns ausgeklinkt, um unseren Nachwuchs in der Welt willkommen zu heißen. Das Leben schreibt eben immer noch die schönsten und aufregendsten Geschichten. Passend dazu gehen wir für unsere literarische Kolumne „Zwischen den Zeilen“ mit einem Bilderbuch an den Start und da haben wir tatsächlich sehr hohe Ansprüche. Nach Conny und Co. steht uns beispielsweise so gar nicht der Sinn. Die pädagogische Keule darf ebenso wie lieblose Illustrationen in der Schublade bleiben. Viel mehr setzen wir auf Phantasie, Humor, aufregende Bilder und eine Liebe zum Medium Buch. Denn das sollen auch die Kleinen schon früh vermittelt bekommen: Vorlesen und Lesen macht Spaß und nimmt uns in Nullkommanix mit auf eine Reise.
Kaatje Vermeires Bilderbuch Im Garten von Monet führt uns ins rund 60 Kilometer nordwestlich von Paris gelegene Örtchen Giverny. Konkreter gesagt: In den einstigen Garten des impressionistischen Malers Claude Monet. Monet hatte eine große Vorliebe für die Gartenkunst und ließ den Garten seines rosafarbenen Hauses in Giverny stetig erweitern und nach seinen Vorstellungen bepflanzen. Dieser diente ihm nicht nur als persönliche Oase, sondern zugleich als Inspirationsquelle und Sujet. Man denke dabei nur an die fabelhaften Seerosengemälde. Dass wir von stadt.land.stories ebenfalls ein großes Faible für Natur und Botanik haben, haben wir durch unsere bisherigen Beiträge bereits deutlich gemacht. Und auch Giverny haben wir schon einmal einen Besuch abgestattet und sind über die japanische Brücke gelaufen, um einen Blick auf Monets Seerosen zu werfen. Es lag also nahe, dass ein so viel gelobtes Bilderbuch für Kinder wie Vermeires Im Garten von Monet dringend auch in unser Regal einziehen musste.
Die Flämin Kaatje Vermeires zählt zu den renommiertesten Grafiker*innen und Illustrator*innen Belgiens und wurde 2010 für ihre Illustrationen zu Tine Mortiers Geschichte Marie und die Dinge des Lebens mit dem Grote Picturale Prijs ausgezeichnet. Für Im Garten von Monet hat sie sich aber nicht nur auf ihr bildkünstlerisches Talent verlassen, sondern zugleich den Text selbst geschrieben. Auf insgesamt 32 Seiten führt sie uns durch das Leben von Monet und bedient sich dabei einer außerordentlich breiten und der Geschichte angepassten Farbpallette und Darstellungsweise. Die Geschichte beginnt mit Monets Wunsch, Maler zu werden und fängt anschließend seine Liebesbeziehung zum Model Camille Doncieux ein. Doncieux stand nicht nur Monet, sondern auch anderen großen impressionistischen Malern wie beispielsweise Pierre-Auguste Renoir Modell. Doch nur Monet konnte offensichtlich ihr Herz erobern und die beiden heirateten 1870. Als Trauzeuge wählten sie übrigens den Realisten Gustav Courbet, der noch heute den Besucher*innen des Musée d’Orsay mit L’Origine du monde die Schamesröte ins Gesicht treibt.
Die Liebe zu Camille, die Monet vor allem in zahlreichen Gemälden festhielt, vermag auch Vermeire auf ihre ganz eigene, sehr lebendige Weise darzustellen. So sehen wir auf einer Doppelseite wie Camille, gefolgt von Monet und einem ihrer gemeinsamen Söhne, an einem Flussufer gesäumt von fantastischer Blütenpracht steht. Auf der nächsten Seite begleiten wir das Ehepaar Monet bei einer Bootsfahrt inmitten einer leuchtenden Herbstkulisse. Doch Camille starb schon früh mit 32 Jahren nach langer Krankheit und ließ ihren Mann und ihre beiden Söhne zurück. Hier verlässt Vermeire das bunte Farbenspiel und transportiert die Gefühle des Verlusts durch die Darstellung der Hinterbliebenen in kühlen Blau-, Grau- und Violetttönen. Die kräftigen und mitunter wärmeren Farben kehren erst in Monets Leben wieder, als er das rosafarbene Haus in Giverny fand und mit seiner späteren zweiten Frau Alice und den Kindern dort einzog. „Hier will ich für immer bleiben, für immer malen“, schreibt Vermeire und zeichnet einen leidenschaftlichen Monet, der in Latzhose und Strohhut selbst den Garten umgräbt und seine botanischen Träume umsetzt. Der weltberühmte Seerosenteich natürlich inbegriffen.
Im Garten von Monet von Kaatje Vermeire ist wahrlich ein Augenschmaus. Von Seite zu Seite haben wir uns mehr in ihre fantastischen Illustrationen verliebt und können die Nominierung für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 in der Kategorie Bilderbuch voll und ganz verstehen. Daran erfreuen sich sicherlich nicht nur junge Bücherwürmer. Vermeires sehr literarisch gehaltener Text ist für die Altersgruppe der Vorschulkinder keinesfalls ein Problem, sondern öffnet den Blick für die poetische Kraft der Sprache. An dieser Stelle gilt das Lob allerdings nicht nur Vermeire selbst, sondern auch der deutschen Übersetzerin Eva Schweikart, die sich dem Text mit viel Liebe gewidmet hat. Zudem lädt das Buch Erwachsene und Kinder durch die behutsam angesprochenen Themen Liebe und Verlust zum gemeinsamen Verweilen zwischen den Zeilen ein. Einzig und allein die Setzung des Textes und die Wahl der Schriftart hätten mehr im Einklang mit den hochkarätigen Illustrationen und der für ein Kinderbuch literarisch anspruchsvoll verfassten Geschichte stehen können. Das wäre von unserer Seite aus allerdings der einzige Kritikpunkt, über den alles andere uns jedoch hinwegtröstet. Wir haben nun zumindest im Bücherregal ein Expressticket nach Giverny stehen und können es wärmstens weiterempfehlen.
Kaatje Vermeire: „Im Garten von Monet“, Übersetzung von Eva Schweikart, Freies Geistesleben, 32 Seiten
(Foto: stadt.land.stories (Header), Buchcover (1), stadt.land.stories (2))
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