Unser Tanzmonat neigt sich zwar dem Ende zu, aber nicht ohne, dass wir vorher noch einen Blick auf die jüngsten Entwicklungen bei Tanzpunkt Hannover werfen. Hier ging es in den vergangenen Wochen nämlich ganz schön turbulent zu und es war vor allem ein kühler Kopf gefragt. Ständig sich ändernde Pandemie-Regelungen und ein Missverständnis hinsichtlich der Fördergelder stellten das Team, das mittlerweile auf vier Mitglieder angewachsen ist, vor neue Herausforderungen. Neben Cara Rother (2. v. l) und Bettina Paletta (2. v. r) kümmern sich nämlich nun auch Emre Kesim (rechts außen) und Nina Melcher (links außen) um die Organisation von Tanzpunkt Hannover und bilden damit neue wichtige Knotenpunkte für die weitere Vernetzung.
Nachdem das Profitraining im Januar offiziell von Seiten der Stadt als „Berufliche Fort- und Weiterbildung“ eingestuft und gefördert wurde, war bereits ein weiterer wichtiger Meilenstein geschafft. Auf dieser Basis konnte das Angebot, selbstverständlich unter strikter Einhaltung der Hygienemaßnahmen, trotz aller Beschränkungen weiterlaufen. Zudem befindet sich Tanzpunkt Hannover derzeit mitten in der Vereinsgründung, was vor allem die Beantragung weiterer Fördergelder sicherlich erleichtern wird. „Es ist nicht selbstverständlich, dass dieser Beruf solch eine Beachtung erfährt“, erzählt uns das vierköpfige Team. Zumal Hannover hinsichtlich der freien Tanzszene keine starke Infrastruktur besitzt. Das liegt vor allem daran, dass sich die Ausbildungsmöglichkeiten für Tänzer*innen in der niedersächsischen Landeshauptstadt bereits vor einigen Jahren aufgelöst haben. Neben der Weiterführung des Profitrainings will Tanzpunkt Hannover daher unbedingt zur Vernetzungsarbeit der freien Szene beitragen.
Eine Baustelle kommt selten allein
„Die Zukunft des Profitrainings hängt stark davon ab, wie sich die freie Tanzszene weiter entwickelt“, erzählen uns Bettina, Cara, Nina und Emre. Das bedeutet, dass das Profitraining natürlich von seinen Teilnehmer*innen lebt. „Um so mehr Choreograf*innen nach Hannover kommen und auch hier produzieren wollen, um so mehr Tänzer*innen werden nach Hannover kommen und ein Training brauchen“, fahren sie fort. Dafür müssen aber neben Trainingsmöglichkeiten auch Proberäume und Spielstätten vorhanden sein. Förder*innen und Künstler*innen müssen also zusammenfinden können. Gleichzeitig möchte Tanzpunkt Hannover die freie Tanzszene mehr mit der hiesigen Musikszene zusammenbringen. Begleitet wird das Profitraining beispielsweise von Multi-Instrumentalist Emre Kesim und seinen Live-Darbietungen. Die sogenannte Korrepetition, also die musikalische Live-Begleitung des Tanzes, ist ein wichtiger Bestandteil des Trainings. „Wir möchten Musiker*innen aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen und Instrumenten für die Korrepetition begeistern und es ermöglichen einen zeitgemäße Umsetzung dieses Berufes zu erlernen“, so Bettina. Für den zeitgenössischen Tanz sei hier besonders eine große musikalische Bandbreite wichtig. Um die entsprechenden Musiker*innen aber auch angemessen zu entlohnen und für faire Arbeitsbedingungen sorgen zu können, müssen zusätzliche Gelder beschafft werden. Auch da möchte Tanzpunkt Hannover sich in Zukunft noch mehr verstärkt engagieren.
Bauchschmerzen bereitet natürlich auch die aktuelle Situation der freien Tänzer*innen in der Pandemie. Einige sahen sich bereits dazu gezwungen zumindest vorläufig den eigentlichen Beruf an den Nagel zu hängen, um den eigenen Lebensunterhalt sichern zu können. Gleichzeitig führt die schlechte Auftragslage dazu, dass sich einige Tänzer*innen das Profitraining nicht mehr leisten können. Auch hier sucht Tanzpunkt Hannover nach Wegen und Mitteln, um niemanden alleine im Regen stehen lassen zu müssen. Dasselbe Los haben allerdings auch die zahlreichen Tanzpädagog*innen gezogen, deren Kurse auf Grund der Pandemie gar nicht, oder nur im reduzierten Maße stattfinden können. Für den tanzenden Nachwuchs ist es auch nicht gerade leicht, denn normalerweise würden sie sich vor Ort ganz präsent auf die Aufnahmeprüfungen vorbereiten können. „Die Tanzschulen haben zu und wir, die eigentlich gerade diese jungen Menschen fördern möchten, dürfen sie unter den aktuellen Vorlagen des Gesundheitsamtes nicht ins Training einladen“, berichtet das Team. Einfach ist sicherlich anders.
Nur 48 Stunden Zeit
An einem Mittwoch im Februar ereilte die freie Tanzszene dann auch noch die ultimative Hiobsbotschaft. In nur zwei Tagen sollte im Kulturausschuss über eine Kürzung der entsprechenden Fördermittel abgestimmt werden. Eine Kürzung, die die ohnehin unterfinanzierte Szene hart getroffen hätte. Zwar wäre Tanzpunkt Hannover von diesem Einschnitt nicht selbst betroffen gewesen, aber das bedeutet nicht, dass hier der Kopf unsolidarisch in den Sand gesteckt wird. Kurzerhand wurde ein offener Brief verfasst, um auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen. „Wir haben zwei Tage lang eine Nachricht nach der anderen bekommen und mit Presse, Stadtverwaltung und den betroffenen Künstlerinnen telefoniert“, erzählt uns das Team. Innerhalb von 40 Stunden haben sich bereits rund 700 Unterzeichner*innen für den Brief finden lassen. Unterstützung gab es selbstverständlich auch von Seiten der Staatsoper Hannover, dem Dachverband Tanz, sowie von zahlreichen weiteren kulturellen Institutionen und internationalen Ballettdirektor*innen. „Glücklicherweise trafen wir in dem ganzen Prozess auf einen sehr interessierten Journalisten der HAZ, der sich der Sache annahm“, so Cara Rother. Mit Hilfe dieses Journalisten kam heraus, dass es sich schlussendlich um ein Missverständnis zwischen Stadtverwaltung und Politik gehandelt hatte und der Antrag wurde zurückgezogen. Ohne das große mediale Interesse und die zahlreichen Unterstützer*innen wäre dies aber nicht möglich gewesen. Und ganz sicher nicht ohne den leidenschaftlichen Einsatz von Tanzpunkt Hannover.

Nun stehen die ersten Lockerungen im Zuge des aktuellen Lockdowns an und Nina, Emre, Cara und Bettina freuen sich sehr darüber. Tanz ist für alle Beteiligten nämlich weitaus mehr als ein Beruf, sondern auch eine wichtige Form sozialer Interaktion. Mehr Lockerungen bedeuten also endlich wieder mehr gemeinsamer Tanz, mehr Vorstellungen vor sichtbaren Publikum, mehr Unterricht mit präsenten Menschen und auch mal wieder eine Umarmung. Wir gönnen es der freien Tanzszene natürlich von ganzem Herzen und wünschen dem Team von Tanzpunkt Hannover für die Zukunft weiterhin viel Leidenschaft und Energie für ihre Pläne. Und selbstverständlich werden wir stets ein Auge auf spannende Neuigkeiten aus der Szene haben. Denn wie heißt es so schön: Man muss das Leben tanzen.
Tanzpunkt Hannover im Internet:
https://tanzpunkthannover.de/
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(Fotos: stadt.land.stories)
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